Heute geht´s los. Teetrinker aller couleur stellen ihren Lieblingstee vor. Das kann auf ganz unterschiedliche Weise geschehen. Den Anfang macht Jan-Gerret Jochim, Tee-Blogger und Teefreund aus Berlin, gebürtig aus Bremen. Im ersten Teil seines Textes nähert er sich dem dem Thema geographisch ...
Viel Spaß beim Lesen!
Der Ostfriesentee
von Jan-Gerret Jochim
"Im äußersten Nordwesten Niedersachsens ragt ein wenig Land in das kalte Meer der Nordsee. Marschland und Moore prägen das Bild dieser Region, die so flach ist, dass Einheimische gerne davon sprechen, den Luxus zu genießen heute aus dem Fenster gucken zu können, um zu sagen, wer in drei Tagen zum Essen kommt.
Ostfriesland, das Land der Deiche, das Land am und oft genug auch im Meer. Es fällt einem Autor leicht, bei den weiten Blicken, dem endlosen Himmel, den sattgrünen Wiesen und dem speziellen, sanften Licht dieser Region in eine Art Romantik zu verfallen. Doch wer Ostfriesland wirklich kennen lernen will, der muss diesen Blick, bei all seiner Schönheit, auch abstreifen können, um ein Land zu betrachten, in dem es überwiegend ein unerbittlich hartes Brot war zu arbeiten, zu leben und zu überleben. Als Brennstoff diente damals vor allem Torf, der in den Mooren von starken Händen gestochen werden musste. Wer in seinem Leben einmal Torf selbst gestochen hat weiß, dass er diese Arbeit vor zweihundert Jahren vermutlich nicht lange unbeschadet überlebt hätte. Wer heutzutage in Frührente gehen möchte, sollte einfach fünf Jahre Torf stechen und sich dann verkrüppelt aber glücklich in ein wärmeres Land absetzen. Um allerdings überhaupt einen Ofen beheizen zu können, musste man erst einmal das Meer davon abhalten, in typisch deutscher Gründlichkeit regelmäßig das Land zu überspülen. Deiche wurden gebaut, befestigt und in Stand gehalten um die Tide, das erbarmungslose Meer von den Feldern der Bauern fernzuhalten. Und in den Städten entwickelte sich ein reger Handel mit In- und Ausland.
Um Ostfriesland wirklich begreifen zu können, muss man sich die Einstellung vorstellen, die man haben muss, bei schneidendem Wind und häufigem Regen, der einem die eisige Kälte in die Glieder presste, zu arbeiten, jeden verdammten Tag. Und wenn im Herbst die ersten großen Stürme über das Meer ins Land zogen, dann begann für alle die Zeit der Ungewissheit. Halten die Deiche stand? Denn wenn sie nicht standhielten, musste man in der Regel damit rechnen das eigene Land zu verlieren, oder schlimmer noch, das eigene Leben.
Der Ostfriese gilt dann auch eher als schweigsame, etwas raue Persönlichkeit. Das mag damit zusammenhängen, dass es im Leben eines Ostfriesen eben nicht viel von dieser Romantik gab, die wir dem Land und den Leuten heute gerne nachsagen. Das Leben war im wahrsten Sinne des Wortes harte Arbeit, denn, wenn man nicht hart arbeitete, bröckelte der Deich und wenn der Deich bröckelte, lebte man mit ziemlicher Gewissheit nicht besonders lange. Hinzu kam ein durchgängiger Stresspegel bedingt durch die anhaltende Gefahr das Meer könnte ins Land einbrechen und die gesamte Existenz binnen einer Nacht vernichten.
Ich für meinen Teil finde darin eine wunderbare Überleitung zu meinem Lieblingstee. Einem Tee der schon den Ostfriesen die nassen, klammen Glieder wärmte. Und was ist schon besser gegen anhaltenden Stress, als eine warme Tasse Tee? Ein Tee, der mit Zucker und Sahne getrunken, eine kleine Mahlzeit darstellte. Ein Tee, der für mich wie kein Anderer für das Land und die Leute steht, dessen Namen er trägt.
Der Ostfriesentee
Er ist eine Mischung aus allerlei Schwarzteesorten. In einem typischen Ostfriesentee finden sich zumeist Assam, Ceylon und schwarze Darjeelingtees. Aber auch Schwarztee aus Java, Sumatra und Afrika sind oft vertreten. Eine kräftige Symphonie, die gar nicht erst versucht subtil, oder gar leise auf der Zunge zu verklingen.Ich werde versuchen Euch das trinken eines Ostfriesentees mal ganz bildlich zu gestalten. Dazu muss ohne viel Schnickschnack kurz das generelle Prozedere einer ostfriesischen Teezeremonie erklärt sein, wobei ich mir den meisten Knigge Mist spare. Aber die absoluten Basics, die man nun wirklich beherzigen sollte, wenn man denn unbedingt auf ostfriesische Weise einen Ostfriesentee trinken will, müssen sein. Beim Ostfriesentee trinken brauchen sie keinen Löffel, lassen sie ihn weg. Sie nehmen die Tasse, legen ein Stück Kluntje hinein, das ist einer dieser erstreckend großen Kandiswürfel. Dann gießen sie den Tee in die Tasse und lauschen andächtig dem Knacken des Kandis. Aus irgendeinem Grund ist das wichtig, fragen sie mich nicht warum, aber es darf offenbar in keiner Beschreibung der ostfriesischen Teezeremonie fehlen, diesem knackenden Kandis einen kurzen Moment sein Gehör zu schenken. Sie haben gelauscht? Wunderbar, sie sind schon fast fertig. Als letztes das Wulkje, das Wölkchen, die Sahne. Früher benutzte man im übrigen Rahm. Wenn sie ein wahrer Traditionalist sind und zufällige eine Kuh im Wohnzimmer haben, können sie an dieser Stelle richtig punkten. Das Wulkje wird mit einem Löffel vorsichtig auf die Oberfläche des Tees gesetzt. Nicht reinschütten, wir wollen nicht, dass sich da irgendwas vermischt. Würde zwar genauso gut schmecken, stört aber total diesen traditionellen und zeremoniellen Effekt.
So, haben wir alles? Kommen wir zum verbildlichten Trinken. Ich habe das extra für diesen Blog erfunden. Sie werden also quasi Zeuge einer Weltpremiere. Ich nenne diese Methode "Orchestralen Bloguismus", oder auch "Musikalisches Geschreibsel", wenn man es etwas bodenständiger mag. Grundlage dieser Methode ist, dass sie sich den Tee wie ein Orchester vorstellen. Sie wissen ja, Streicher, Bläser, Trommler und so weiter. Jüngere Semester wie ich können wahlweise auch eine "Band" nehmen, in diesem Falle greift man auf Gitarre, Bass, Drumms und so weiter zurück."
Teil 2 folgt in Kürze und berichtet über das wundersame Zusammenspiel eines Tee-Orchesters ...
Toller Beitrag…
AntwortenLöschensagt eine Nordfriesin.